Forschungsgeschichte |
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Entwicklung | |||
Die Alamannenforschung hat in Deutschland eine lange Geschichte. Der wohl früheste bekannte Fund stellt ein Totenbaum/Baumsarg der späten Alamannenzeit dar, welcher im Jahre 1161 in Zöbingen, Ostalbkreis, geborgen wurde. Nach der Legende war damals ein Reiter am Dorfrand in eine Grube eingebrochen. Als man nach der Bergung das Loch untersuchte wurden in einem Sarg neben Gebeinen auch Schmuck und Obst zutagegefördert, das trotz des offensichtlich hohen Alters noch frisch war. Damals wusste man noch nicht, dass es sich hierbei um die Überreste einer älteren Bestattung handelte, sondern errichtete dort im frommen Glauben eine Wallfahrtskapelle für die heilige Maria. Bis heute wird der Baumsarg in der Kapelle aufbewahrt. Aus den folgenden Jahrunderten sind uns immer wieder ähnliche Entdeckungen bekannt. Durch historische Überlieferungen erklärte man im 19. Jahrhundert die bei Ausgrabungen von sogenannten Reihengräberfeldern zutage gekommenen Funde aufgrund ihrer Lage in Südwestdeutschland, dem Elsass und der nördlichen Schweiz als alamannisch. Doch erst durch weitere größere Ausgrabungen im späten 19. Jahrhundert an Gräberfeldern, wie Ulm (1860), Schleitheim (1864) oder Schretzheim (1890-1901) und vergleichende Arbeiten gelang es eine gewisse Sicherheit zu erlangen, ob es sich beim Fundgut um keltisches oder germanisches Fundmaterial handelte und ob man es eher dem fränkischen oder alamannischen Gruppen zuordnen könne. Die steigende Zahl an Ausgrabungen und Publikationen führte schließlich Anfang des 20. Jahrhunderts zumindest zu einem verhältnismäßig guten Forschungsstand der alamannisch-fränkischen Reihengräberzeit. Zusammenfassend bilden in dieser Frühphase erste systematische Ansätze der theoretischen wie praktischen Archäologie, die besonders durch das aufstrebende Bürgertum weiterentwickelt und gefördert wurden, wichtige Anstöße in Richtung einer umfassenderen Alamannenforschung, deren wichtigste Quellen bis dato historische Überlieferungen und die reichen und umfangreichen Reihengräbderfelder des 5. bis 7. Jahrhunderts waren. | |||
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Von den ersten frühalamannischen Funden zur modernen Archäologie | |||
Schematischer Plan eines Reihengräberfeldes mit seiner chronologischen Entwicklung von dunkelgrün, über hellgrün und dunkelrot bis hellrot. Ein derartiger Aufbau ist charakteristisch für Gräberfelder im alamannischen Südwestdeutschland ab dem späten 5. bis zum frühen 8. Jahrhundert. Kristallisationspunkte für zahlreiche
Reihengräberfelder der Merowingerzeit waren oftmals Reste vorgeschichtlicher Hügelgräber, die auf dem Plan durch Kreisgräben erkennbar sind. In diese wurden dann auch häufiger randliche Nachbestattungen eingebracht. Aufgrund des reichen Fundmaterials und der leichten Auffindbarkeit der Reihengräberfelder konzentrierte sich die frühe Forschung sehr stark auf die Quellengattung Grab. Anhand des aus den Gräberfeldern geborgenen Fundmaterials war es damals möglich einige Fragen zur Chronologie und der alamannischen Lebenswelt aufzuwerfen. Durch kritische Erörternung konnte so eine Basis geschaffen werden, auf die nachfolgende Forschergenerationen aufbauen konnten. Allerdings erkannte man schon damals die Probleme einer auf Gräberfelder aufbauenden Archäologie. Wie Gerhard Fingerlin treffend in seinem Artikel "Vom Schatzgräber zum Archäologen - Die Geburt einer Wissesnchaft" im Alamannenkatalog von 1997 hinweist, ist es Walter Veeck, einem Pionier der Frühgeschichtsforschung Südwestdeutschlands, zu verdanken, dass das Fundmaterial in den Mittelpunkt von Publikation gerückt wurde und die bislang kaum bekannten oder beachteten Siedlungen in das Blickfeld kamen. Er unterstrich den geringen Wert von punktuell ergrabenen Gräberfeldern wenn man versucht der Lebenswelt der Vergangenheit näherzukommen, wenn man zugleich die Siedlungen außer Acht lässt. Erst durch diese Neuorientierung gelang es in den folgenden Jahrzehnten immer häufiger neben der Erforschung von Reihengräberfeldern aus der Merowingerzeit, die erst nach der Mitte des 5. Jahrhunderts angelegt wurden, auch völkerwanderungszeitliche und frühmittelalterliche Entdeckungen abseits der großen Nekropolen zu machen. Besonders für die Erforschung der Völkerwanderungszeit bzw. jüngeren Kaiserzeit war dies eine Art Urknall, denn die reine Gräberarchäologie hatte bis dato die Konsequenz, dass diese Zeit durch Befund und Fund kaum repräsentiert wurde. Der Grund ist einfach: die jüngere Kaiserzeit bot und bietet kaum Grabfunde und sehr selten größere Gräberfelder. Nach dem II. Weltkrieg begünstigte sicherlich auch die Etablierung der staatlich organisierten Denkmalpflege eine breit aufgestellte archäologische Grabungstätigkeit. So brachten die Jahre nach und nach Fundmaterial aus Notbergungen, Stadgrabungen oder Siedlungsgrabungen ans Licht, welches in die Zeit der sogenannten "Frühalamannischen Landnahme" datiert werden kann. Das Stufensystem der jüngeren Kaiserzeit nach H. J. Eggers (1955) und K. Godłowski (1970)
Wie auch im Abschnitt zur "Archäologie" erwähnt, erlebte in den 1960er und 1970er Jahren die Erforschung der frühen Alamannen einen großen Aufschwung. Dieser war einerseits durch die rasant gestiegenen Ausgrabungsaktivitäten der Denkmalämter bedingt und andererseits durch die Einführung vereinheitlichten und systematisierten Grabungstechnik, welche Bodenverfärbungen einen ebenso hohen Stellenwert einräumte wie einem Mauerwerk oder dem Fundmaterial. Zudem waren es gerade die Arbeiten von Robert Roeren, Rainer Christlein, Joachim Werner, H. W. Böhme und E. Keller, die wichtige, zum Teil bis heute gültige Grundlagen zur Chronologie schufen, zudem aber auch sozial-, kultur- und öknonomiegeschichten Aspekten nachgingen und mit dem damaligen Wissensstand eine Art "frühalamannische Kultur" beschreiben konnten. Anhand der publizierten frühalamannischen Vergleichsfunde war es spätestens ab der Mitte der 1980er Jahre möglich in weiten Teilen frühalamannisches Fundmaterial aus Siedlungsgruben zu bestimmen und es einzuordnen. So konnten die Archäologen auf der Ausgrabung, wie auch dem Archäologen am Schreibtisch häufiger frühalamannisches Fundmaterial, frühalamannnische Befunde und Strukturen erkennen und in ihrem Kontext bearbeiten. Die Folge war, dass die Zahl frühalamannischen Fundplätze rasch anwuchs, da man jenes Fundmaterial anhand spezifischer Merkmale erkannte. Bis heute konnten durch Lesefunde, Zufallsfunde, Ausgrabungen und die Neubewertung von Altfunden einige frühalamannische Fundplätze definiert werden. So war H. W. Böhme in der Lage in einer Kartieung aus dem Jahre 2009 alleine für das Gebiet zwischen Odenwald, Donau und Hochrhein über 100 Siedlungsplätze aufzuführen. In einer Zusammenfassung von 1998 konnte Helga Schach-Dörges insgesamt 91 Grabfunde verzeichnen, welche in die frühalamannische Zeit (ausgehendes 3. bis erstes Drittel 5. Jahrhhundert) datieren. Mittlerweile kommen bei größeren Ausgrabungen beinahe regelmäßig Funde dieser Zeit zutage. Dabei haben sich aufgrund reicher Fundkomplexe sowie der regionalen Schwerpunkte von Forschungseinrichtungen und der Denkmalpflege in den letzten Jahrzehnten besonders der Breisgau, die Regionen entlang des mittleren Neckars, der Obermain, die Wetterau und die Schwäbischen Alb als zentrale Forschungslandschaften herauskistallisiert. Dabei wurde der Breisgau 1999 in einer Dissertation von Christel Bücker aufgearbeitet, die Wetterau durch eine Dissertation von Bernd Steidl, das Neckargebiet in vielen Arbeiten von Robert und Ursula Koch sowie Helga Schach-Dörges bearbeitet und letztlich der Obermain und Franken durch Arbeiten von Christian Pescheck und Joachim Haberstroh untersucht. Die Schwäbische Alb tritt besonders durch die Höhensiedlungen in den Publikation hervor. Doch auch hier sind seit einigen Jahren Artikel von Rainer Schreg (Geißlingen) oder Silvia Spors-Gröger (Sontheim) zum Siedlungssystem abseits der Höhensiedlungen erschienen. Eine Kartierung der spätkaiserzeitlichen Siedlungsplätze im westlichen
Süddeutschland. Die Regionen mit gutem Forschungsstand sind farblich hervorgehoben. Violett: Breisgau; Blau: Schwäbische Alb; Rosa: Mittleres Neckartal; Grün: Maingebiet; Orange: Wetterau.
Für die genannten Forschungslandschaften lässt sich konstatieren, dass sie recht gut und anhand des aktuell bekannten Fundmaterials umfassend aufgearbeitet sind. Die Publikationen geben wichtige Informationen über die Entwicklungen zwischen dem ausgeheden 3. bis zum 5. Jahrhundert. Statt chronologischer und sozioarchäologischer Grundlagenarbeit wie in den 1970ern und 1980ern geraten heute allerdings immer mehr differenzierte regionale Studien in den Fokus, die auf weiten Strecken durch naturwissenschaftliche Arbeiten begleitet werden (vgl. Bücker 1999, Spors-Gröger 1997, Roth-Rubi 1991). Statt einer globalen Erforschung stehen Entwicklungen in einzelnen Siedlungskammern im Vordergrund, die die Erarbeitung einer feineren und differenzierteren Besiedlungsgeschichte ermöglichen. Zudem erlaubt diese regionale Betrachtung eine Auswertung des archäologischen Materials in geschlossenen Siedlungskammern und so einen Blick auf lokale Entwicklungen. So sind wir im aktuellen Forschungsstand zum Beispiel über chronologische Aspekte informiert, wir sind über die Besiedlungsgeschichte der Wetterau gut aufgeklärt, wir wissen welche kulturellen Beziehungen die Alamannen des Breisgaus hatten, woher die Rohstoffe für die Keramik der Siedlung von Wülfingen am Kocher kamen, wir können die sozioökonomische Stellung der bestatteten Frauen aus Lauffen am Neckar beurteilen und wissen welche Handelskontakte die Höhensiedlung vom Runden Berg hatte. Dennoch existieren viele Fragen, die nicht abschließend geklärt sind. Es gibt viele Aspekte, die bisher nicht bearbeitet wurden und einige Grabungskomplexe, welche noch nicht aufgearbeitet und publiziert worden sind. |
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