Dissertationsprojekt Sven Jäger, M.A.

Frühe Alamannen zwischen Rhein, Neckar und Enz

Die Archäologie der späten Kaiserzeit und frühen Alamannen

Siedlungsraum Grabfunde Siedlungen Höhensiedlungen

Wie auch schon im Abschnitt "Frühalamannische Zeit" zu erfahren war, sind wir durch schriftliche Quellen verhältnismäßig gut über die historischen Ereignisse der frühalamannischen Zeit informiert. Bis weit in die 1970er Jahre hinein musste allerdings festgehalten werden, dass eine enorme Lücke zwischen dem archäologischen und dem historischen Wissen klaffte. Viele größere Auseinandersetzung zwischen Alamannen und Römern sind uns überliefert, politische Ereignisse sind bekannt und sogar von germanisch geprägten Burgen und Landschaften wird gesprochen. Doch die archäologischen Zeugnisse schwiegen dazu. Dieter Geuenich, einer der bekanntesten Historiker zum Thema Alamannen, sprach in einem Artikel zur Landnahme sogar von einem "archäologischen Vakuum". Knapp 30 Jahre nach einem Anfang durch das Buch "Die Alamannen in Württemberg" von W. Veek, bildete erst im Jahre 1960 die Arbeit von Robert Roeren "Zur Archäologie und Geschichte Südwestdeutschlands im 3. bis 5. Jahrhundert n. Chr." einen ersten größeren aber zaghaften Schritt in der Archäologie. Seine Arbeit war die erste Zusammenfassung und Bewertung des bekannten Materials, die eine solide Basis für weitere Forschungsarbeiten bilden sollte.

In den 1970er Jahren erlebte die Alamannenforschung einen großen Fortschritt durch die Schriften von H. W. Böhme, E. Keller und R. Christlein. In den Arbeiten fanden Aspekte zum Lebensumfeld der Alamannen und chronologische Fragen eine Erörterung. Auch erste Gedankengänge zur Entstehungen der Alamannen fanden Resonanz in den Schriften, die damals allerdings in der Regel noch stark an dem Modell von Wanderungsbewegungen und "materielle Kultur ist gleich Idendität" hingen. Die Ausgrabungen an der alamannischen Höhensiedlung vom "Runden Berg bei Urach" (V. Milojčić, Universität Heidelberg) in den Jahren 1967 bis 1984 brachte einen Quantensprung und die Initialzündung für weitere Forschungsprojekte zu den frühen Alamannen. Die enorme Wichtigkeit dieses Fundplatzes für die Archäologie und Forschungsgeschichte stellt die Tatsache dar, dass die Publikationen/Forschungen zu allen vor- und frühgeschichtlichen Epochen auf dem Runden Berg bis heute noch nicht abgeschlossen sind. Seither nimmt die Zahl an Ausgrabungen und Publikatione zur Thematik der frühen Alamannen stetig zu, wobei die 1990er Jahre, auch durch die große Landesaustellung "Die Alamannen" 1997 in Stuttgart, sicherlich einen Höhepunkt darstellen.

Heute gilt es viele Forschungsfragen zu lösen, Fragestellungen zu verfeinern und den neuen Erkenntnissen anzupassen. Im Fokus geraten mehr und mehr Forschungen, welche ganze Siedlungsräume zum Thema haben und so die komplexen Zusammenhänge von ländlichen Siedlungen, Höhenbefestigungen und dem Römischen Imperium in einen größeren Kontext stellen können. Auch theoretische Fragen treten verstärkt in den Vordergrund. So wird beispielsweise über die archäologischen Erkenntnisse versucht mit Modellen die alamannische Ethnogenese (wörtlich "Entstehung eines Volkes") besser zu verstehen, über die geborgenen Funde die möglichen Interaktionen von Kulturkreisen zu erfassen und Wandlungsprozesse, wie jene des 3. bis 5. Jahrhunderts von römischer Kultur hin zur germanisch geprägten Kultur der frühalamannischen Zeit zu erklären. Mehr und mehr treten auch naturwissenschaftliche Methoden an die Seite archäologischer. Durch paläobotanische Forschungen ist es möglich die Ackerwirtschaft zu erfassen und Nutzpflanzen zu bestimmen. Osteologen können anhand der geborgenen Tierknochen die Nutztieraten klassifizieren, Metallurgen analysieren den Aufbau von Metallgegenständen und Schlacken, Geologen und Petrografen können Gesteine und ihre Herkunft bestimmen und Physiker wie Chemiker ermöglichen Dendro-, Radiokohlenstoff- und Thermoluminiszenzdatierungen.




Allgemeines und Siedlungsraum

Durch die Archäologie lässt sich über die historischen Überlieferungen hinaus für weite Teile Süddeutschlands zwischen dem ausgehenden 3. bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts eine kulturelle Gruppe mit recht einheitlicher materiellen Kultur definieren, die mit den Alamannen verbunden wird. Doch die Spuren, die uns die frühen Alamannen hinterlassen haben sind nicht zahlreich und in der Regel nur schwer zu entdecken. Dies liegt besonders daran, dass die Alamannen zu dieser Zeit keine größere Siedlungen bauten, wie dies die Römer taten. Sie pflegten das Leben in einfachen Holzpfosten-Flechtwand-Gebäuden innerhalb kleiner Gehöfte und Weilern oder sie lebten in Siedlungen auf markanten Höhenzügen, wie dem "Runden Berg bei Urach". Auch der Umstand, dass viele Siedlungen dort zu vermuten sind, wo heute moderne Städte liegen, ist ein Grund für die Seltenheit archäologischer Relikte dieser Zeit.

Ebenso legten die frühen Alamennen in der Regel nur schwer zu entdeckende kleine Gräbergruppen oder Einzelgräber an. Dies änderte sich erst in der zweiten Hälfte des 5. Jahunderts, als die Alamannen wie auch andere germanische Gruppen begannen, größere, sogenannte Reihengräberfelder anzulegen. Das Reihengräbderfeld von Lauchheim "Wasserfurche" ist mit 1308 Gräbern eines der größten Reihengräberfelder Süddeutschlands, stellt beeindruckend den Unterschied zwischen den Zeiten dar. Lauchheim wird zur Zeit in einem umfangreichen DFG Projekt bearbeitet (dfg-projekt-lauchheim.de).

Aufgrund dieser Bedingungen ist es mit Prospektionsmethoden wie der Luftbildarchäologie kaum möglich Höhensiedlungen auszuspüren, da diese zumeist auf bewaldeten Höhenzügen liegen. Gar unmöglich ist es innerhalb eines besiedelten Gebietes einen Fundplatz auszumachen. Ebenso ist es nur unter optimalsten Bedingungen wahrscheinlich durch die Luftbildarchäologie ein frühalamannisches Gehöft zu entdecken, da die entsprechenden Bewuchsmerkmale wenig markant ausfallen. Ohne größere Bodeneingriffe ist es in der Fläche bislang schwierig frühalamannische Fundstellen auszumachen. So sind viele Spots zufällige Entdeckungen, die zumeist durch eine Hand voll Sammelfunde ehrenamtlicher Mitarbeiter der Denkmalbehörden bekannt werden, oder die frühalamannischen Funde und Strukturen bilden Beifunde innerhalb von Grabungen, die ursprünglich andere Zeitstellungen zum Inhalt hatten.

Symptomatisch ist hier das Badegebäude des römischen Landgutes (Villa rustica) von Wurmlingen, Kreis Tuttlingen, zu nennen. Von den Römern wurde die Villa nachweislich in der Mitte des 3. Jahrhunderts aufgegeben. Auch für den Laien gut erkennbar sind die Mauerreste. Weniger auffällig sind dunkle, runde Verfärbungen innerhalb des Bades, die erst im weiteren Verlauf der archäologischen Ausgrabungen entdeckt werden konnten. Bei diesen runden Verfärbungen handelt es sich um Pfostengruben, die aufgrund Fundmaterials von Alamannen im 4. Jahrhundert nachträglich in das schon zum Teil verfallene Badegebäude eingebrachten wurden.

Senkrechtaufnahme des Badegebäudes der Villa von Wurmlingen. Erkennbar ist das Mauerwerk und mehrere dunkle Verfärbungen innerhalb des Gebäudegrundrisses

Erschwerend kommt hinzu, dass einfache und zumeist stark fragmentierte freigeformte Keramik den Hauptteil frühalamannischer Funde bildet. Diese ist allerdings nur schwer von Keramik vieler vorgeschichtlicher Epochen zu unterscheiden. Nur durch ein geschultes Auge ist es möglich, anhand bestimmter Kriterien in der Herstellungstechnik, frühalamannische Keramik zu erkennen und so schon durch aufgelesenenes Keramikmaterial Fundorte erfassen zu können (dazu: Christel Bücker, Frühe Alamannen im Breisgau. Untersuchungen zu den Anfängen der germanischen Besiedlung im Breisgau während des 4. und 5. Jahrhunderts nach Christus. Freiburger Forsch. erstes Jt. Südwestdeutschland 9 [Sigmaringen 1999]).

Verständlich wird, dass die Menge an bekannten Fundplätzen hinter die Zahl der Fundorte vieler vor- und frühgeschichtlicher Epochen zurücktritt, wobei die immer stärker werdende illegale Raubgräberei und Sondengängerei sicher noch als umfangreicher negativer Faktor hinzukommt. Auf Verbreitungskarten können bis heute viele dutzend frühalamannische Fundstellen kartiert werden. Allerdings repräsentieren nur sehr wenige Punkte tatsächlich Ausgrabungen. Weit über 80 % sind jene Fundstellen, die kleine Lese- und Zufallsfunde darstellen. Weiterhin ist eine Häufung der Fundstellen im Breisgau, entlang des Neckars, am Obermain, in der Wetterau und auf der Schwäbischen Alb zu erkennen. Die fundleeren Räume in einigen gebirgigen Regionen sind dabei nachvollziehbar, doch in fruchtbaren und heute noch landwirtschaftlich intensiv genutzten Regionen, wie der Oberrheinebene, dem Kraichgau oder dem Allgäu, nicht ohne weiteres erklärbar. So können Kartierungen zurzeit alleine die Forschungslage wiedergeben und nicht die tatsächliche Verbreitung der Fundstellen. Erkennbar ist, wo die Forschungsschwerpunkte der vergangenen Jahre lagen. Dagegen sind Lücken zwischen Nordschwarzwald und dem unteren Neckar, im Odenwald, zwischen Neckar und Obermain, im Allgäu und rund um den Taunus sichtbar. Durch neue Ausgrabungen und Materialpublikationen in den kommenden Jahren bleibt zu hoffen, dass weitere Fundstellen bekannt werden und existierende Lücken nach und nach geschlossen werden können. Hier geben schon heute, neben dem auf dieser Seite vorgestellten Dissertationsprojekt, weitere Projekte, wie die Ausgrabung im Areal einer frühalamannischen Siedlung von Groß-Gerau "Auf Esch" im Mainmündungsgebiet (archaeologie.uni-frankfurt.de) allen Anlass zu großen Hoffnungen.

Verbreitungskarte mit den bekannten frühalamannischen Fundpunkten im westlichen Süddeutschland (auf Grundlage von H. W. Böhme, Ch. Pescheck und B. Steidl)

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Grabfunde

Siedlungen

Höhensiedlungen




Grabfunde frühalamannischer Zeitstellung
Verbreitungskarte mit den bekannten frühalamannischen Grabfunden im westlichen Süddeutschland (auf Grundlage von H. Schach-Dörges)

Die frühalamannischen Gräber zeigen eindrucksvoll wo Alamannen während der Landnahmezeit siedelten und und die darin gefundenen Beigaben veranschaulichen wie ihre materielle Kultur aussah. Die Verbreitungskarte von germanischen Gräbern der Landnahmezeit (ausgehendes 3. bis Mitte 5. Jahrhundert n. Chr.) in Südwestdeutschland vermittelt uns einen Eindruck  wie das frühalamannische Siedlungsgebiet zu umreißen ist. Allerdings sind viele der Gräber bislang Einzelfunde ohne entsprechenden nachweisbaren Siedlungskontext, wobei oft eine naheliegende Siedlung zu vermuten ist. So reicht das frühalamannische Siedlungsgebiet vom Oberrhein im Westen bis an den Main im Osten, von der Wetterau im Norden bis an den Hochrhein im Süden. Während der Spätantike lag jenseits des Rheins und der Donau das Römische Imperium, dessen Grenzen durch den Rhein-Donau-Iller Limes gesichert wurden.

Die frühen Alamannen pflegten am Ende des 3. Jahrhunderts zum Teil noch die Brandbestattung, doch die Körperbestattung wird ab der Wende zum 4. Jahrhundert die primäre Bestattungsart. Dieser Wandel von der Brand- zur Körperbestattung ist auf den römischen Einfluss zurückzuführen. Er wurde nach aktueller Forschungsmeinung durch die sozial Höhergestellten Gruppen vorangetrieben. Sie übernahmen die Körperbestattung in Anlehnung an den römischen Wohlstand als Statussymbol zuerst. Nach und nach übernahmen im Verlauf des 4. Jahrhunderts n. Chr. die übrigen Bevölkerungsschichten diesen Brauch. Große Gräberfelder, wie aus der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts, sind aus Südwestdeutschland nicht bekannt. Bestattet wurde meist in kleinen Gräbergruppen oder Einzelgräbern. Die Körpergräber sind - anders als nach christlicher Vorstellungen - in der Regel Nord-Süd ausgerichtet, wobei der Kopf in der nördlichen Grabseite liegt. Bei sozial höher gestellten Persönlichkeiten war es nicht unüblich die Toten Körper in einen Sarg oder sogar, wie bei dem reichen Frauengrab 2 von Lauffen am Neckar, in eine geräumige hölzerne Grabkammer zu legen.

Anders als die meisten Römer zur selben Zeit gaben die frühen Alamannen ihren Toten reichlich Beigaben mit ins Grab. Diese Beigaben waren je nach Geschlecht differenziert. Auffällig ist, dass in Männergräbern, anders als man es erwarten würde, auf die Mitgabe von verwendbaren Waffen verzichtet wurde. Wie am Männergrab von Laisacker nahe Neuburg an der Donau zu sehen, wurden in Gräbern höher gestellter Persönlichkeiten dennoch gelegentlich Pfeilspitzen in dreifacher Ausführung mitgegeben. Diese Pfeilspitzen konnten wie hier aus Bronze oder aus Silber gefertigt sein. Allerdings waren sie immer so fragil gefertigt, dass sie bei der Benutzung gebrochen oder zumindest verbogen wären. Diese Pfeilspitzen sind somit weniger als Waffenbeigabe sondern mehr als Statussymbol zu interpretieren. Zu den häufigsten Beigaben in Männergräbern zählen freigeformte Keramikgefäße. In reicher ausgestatteten Gräbern finden sich zudem Gewandschließen, sogenannte Fibeln und Gürtelbestandteile. Selten und nur in den reichsten Gräbern wurden auch importeirte römische Gefäße beigegeben. Ein adäquates Bild zeigt das Männergrab von Leutkirch im Allgäu, das aus der Zeit um 400 n. Chr. stammt. Dieses wurde zwar bei der Entdeckung im Rahmen von Kanalarbeiten weitestgehend zerstört, doch auch hier sind wieder bekannte Beigaben vorhanden. Erneut sind es drei bronzene Pfeilspitzen und Gürtelbestandteile. Zusätzlich trug der Tote eine Gewandschließe im Typus einer sogenannten Bügelknopffibel.

Schmuck und Trachbestandteile aus dem reichen Frauengrab 2 von Lauffen am Neckar. Zu erkennen sind Fibeln, eine Haarnadel, ein Kamm, zwei Ketten, ein Armreif und mehrere Teile die zum Gürtel gehören
Gefäßbeigaben des reichen Frauengrabes 2 aus Lauffen am Neckar. Mehere handaufgebaute (Mitte) sind neben wenigen scheibengedrehten Gefäßen (Hintergrund) zu erkennen. Im Vordergrund steht eine römische Terra Sigillata Schüssel

Besonders bei den reicheren Frauengräbern zeigt sich die Beigabe eines bestimmten Ensembles. Ein gutes Beispiel hierfür bildet das Frauengrab 2 von Lauffen am Neckar. Es fällt sofort die reiche Beigabe an Schmuckgegenständen auf. So sind zwei bronzene Armbrustfibeln und ein Kollier aus Bernstein- und Glasperlen beigegeben worden. Zudem befinden sich neben Ziergegenständen, die am Gürtel befestigt waren, auch ein Kamm und eine auffällige Prunknadel im Inventar. Da neben den freigeformten frühalamannischen Gefäßen auch seltene, auf der schnelldrehenden Töpferscheibe gefertigte, alamannische Gefäßtypen und ein römisches Gefäß vorkommen wird der Reichtum der verstorbenen Alamannin von Lauffen nochmals hervorgehoben.

Ein ähnliches Beigabenensemble findet sich im rund 130 km von Lauffen entfernten Frauengrab von Karben-Rendel in der Wetterau. Auch dort sind erneut freigeformte Gefäße beigegeben worden, eine Kette aus Bernstein- und Glasperlen, sowie eine große Haarnadel. Das Frauengrab von Erlbach im Nördlinger Ries zeigt ebenfalls ein Inventar aus Gefäß und Schmuck. Zum Schmuck gehören hier zwei Scheibenfibeln, zwei Bronzeringe und zwei Halsreifen. Zudem lagen im Grab ein beinerner Kamm und mehrere handwerkliche Gegenstände, wie ein Spinnwirtel und ein Messer. Ein besonderer Aspekt ist, dass der Verstorbenen sogar drei Silbernadeln mitgegeben wurden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass den Männern in der Regel Gürtel, Gewandschließe und ein Gefäßensemble beigegeben wurde, dafür keinerlei nutzbare Waffen. Bei den Frauen wurde besonders stark auf die Beigabe von Schmuck und Gefäßen geachtet. Bei den reichsten Gräbern finden sich zudem oft prunkvolle Haarnadeln und römische Importkeramik.

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Frühalamannische Siedlungen im flachen Land

Vergleiche zu vielen Fundstücken, die aus den Gräbern bekannt sind, finden sich durch die wachsende Zahl an Ausgrabungen auch häufig im Fundmaterial der Siedlungsplätze. So konnte überraschenderweise in der Verfüllung einer Grube innerhalb der römischen Siedlung von Güglingen im Jahre 2002 ebenfalls eine prunkvolle Haarnadel geborgen werden, wie sie aus den reichsten frühalamannischen Frauengräbern bekannt sind. Da allerdings Keramik das häufigste archäologische Fundgut darstellt und es über die ganze Alamannia des 3. bis 5. Jahrhunderts hinweg vergleichbare Gefäßtypen gibt, unterstreicht gerade sie eine gemeinsame frühalamannische Sachkultur. Schüsseln, die mit Dellengruppen verziert sind, wie sie aus den Gräbern von Erlbach im Ries und Karben-Rendel bekannt sind, sind in der ganzen Alamannia verbreitet und nicht nur in Gäbern, sondern auch in Siedlungen sind diese Gefäße regelmäßig zu finden. Aus dem Fundplatz von Gemmrigheim am Neckar, Kreis Ludwigsburg, konnten in der Verfüllung eines römischen Kalkbrennofens ebenfalls Fragmente einer solchen Schüssel geborgen werden. Die Ähnlichkeit zu der Schüssel aus dem Grab von Erlbach ist verblüffend: die Färbung, die Anordnung der Dellengruppen, die geschwungene Gefäßform und die Anzahl der Dellen ist vergleichbar. Auch aus der frühalamannischen Siedlung von Flehingen, die 1996 von Martin Kössler entdeckt wurde, findet sich ein Fragment einer solchen Schüssel.

Anders als den Römern war den frühen Alamannen ein städtisches Siedlungswesen fremd. Sie lebten sie in kleinen, weilerartigen Siedlungen, die gleichzeitig kaum mehr als zwei große Wohngebäude besaßen. Die Hauptgebäude der Siedlungen wurden in einer Pfosten-Flechtwand Konstruktion errichtet. Steingebäude erbauten die frühen Alamannen nicht. Das Hauptgebäude war zumeist zweigeteilt und so konnten die Familien darin leben und zugleich Vieh untergebracht werden (Wohnstallhaus). Neben diesen Gebäuden und Speicherbauten standen meist kleine Nebengebäude, die multifunktional genutzt werden konnten. Die Untersuchungen an den Siedlungen ergaben eine stark landwirtschaftlich ausgeprägte Lebensweise. Dabei deuten die Analysen der in den Siedlungen gefundenen Tierknochen auf eine Landwirtschaft hin, die auf Viehhaltung aufbaute. Anders als bei den Römern, bei denen das pflegeleichte Hausschwein sehr beliebt war, bevorzugten die frühen Alamannen allerdings das Rind als Nutztier.

Die Ackerwirtschaft ist archäologisch nur durch das verwendete Werkzeug nachweisbar, die allerdings selten zu finden sind. Wie Vorschneidemesser bzw. Pflugseche, Pflugschare und Hacken aus den Siedlungen zeigen, wurde die Ackerwirtschaft dennoch nicht vernachlässigt. Unabhängig von archäologischen Funden belegen ebenfalls paläobotanische Analysen, dass die Ackerwirtschaft einen wichtigen Wirtschaftsteil während der frühalamannischen Landnahmezeit bildete. Wie groß die Landwirtschaft in den Siedlungen war und ob sogar ein Überschuss produziert werden konnte bleibt fraglich.

Hinweise auf handwerkliche Tätigkeiten innerhalb der Siedlungen sind im geringen Umfang vorhanden. Oftmals kann die Verarbeitung von Knochen und Bein nachgewiesen werden. In Oberpleichfeld, Landkreis Würzburg (Unterfranken) beispielsweise konnten Roh- und Werksstücke geborgen werden, die letztlich zu Kämmen verarbeitet werden sollten. Der direkte Beleg von Metallverarbeitung gelingt selten, doch ist es möglich über Schlacke, Altmetalldepots und Werksstücke zumindest an einigen wenigen Siedlungsplätzen auch dieses Handwerk zu fassen. Da Töpferöfen bisher nicht ergraben werden konnten ist das Töpferhandwerk bislang in Süddeutschland nicht direkt nachweisbar. Da der Großteil der frühalamannischen Keramik einfacher Art ist und die Beigaben in den Ton in den naturwissenschaftlich analysierten Fällen lokaler Herkunft sind, kann jedoch auf eine regelmäßige regionale Produktion geschlossen werden. Das Holzhandwerk (Hausbau), das Spinnen von Garn (Spinnwirtel) und Weben von Stoffen (Webgewichte) ist im Hausfleiß als grundsätzlich anzusehen und in den meisten Siedlungen belegt. Das Handwerk wurde zumeist in kleinen Häusern ausgeführt, die etwas in den Boden eingetieft waren (Grubenhäuser). Häufig wurden sie als Webhäuschen genutzt, da in diesen Gebäudeformen die Temperatur konstant und die Luftfeuchtigkeit hoch blieb. Aufgrund der wenigen Belege handwerklicher Bereiche lässt sich schließen, dass das Handwerk zumeist nur einen begrenzten Umfang hatte und primär den Eigenbedarf decken sollte.

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Höhensiedlungen




Die Höhensiedlungen des 4. bis 5. Jahrhunderts

Ab der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts tritt mit den Höhensiedlungen in der Alamannia ein neuer Siedlungstyp in Erscheinung. Bei diesen Siedlungen handelt es sich um befestigte Siedlungen, die auf Höhenzügen erbaut wurden und einen administrativ-repräsentativen Charakter besaßen. Bis heute sind die meisten Siedlungen aber nur durch wenige Funde bekannt. Oftmals sind es alleine Münzfunde der Spätantike, die eine Wahrscheinlichkeit für einer Siedlung auf einer Höhe ausdrücken. Nur wenige dieser Siedlungen sind systematisch ausgegraben worden.

Luftbild der Ausgrabungen auf dem Runden Berg bei Bad Urach

Lange war es nicht eindeutig zu klären wie viele der Höhen mit germanischem Fundmaterial der jüngeren Kaiserzeitz zu deuten sind. Es wurden Möglichkeiten wie Kultplätze, Gräberfelder, Heerlager oder Siedlungen diskutiert. Erst durch systematische Begehungen, Sondagen und Ausgrabungen konnten für die Orte wichtige Hinweise gesammelt werden, die die Funktion dieser Höhenplätze offenlegten. H. Steuer hat die Ansätze schließlich in einem Beitrag mit dem Titel "Germanische Heerlager des 4./5. Jahrhunderts in Südwestdeutschland (?)" zusammengefasst. Für die Spätantike kann die Funktion als Kultplatz aufgrund der überlieferten Schriftquellen, dem Fehlen von typischen Depots und dem im kultischen Kontext atypischen Fundmaterial ausgeschlossen werden. Die Deutung als Gräberfeld kann auch negiert werden, da bislang kein Hinweis für Körperbestattungen mit einem Inventar gelungen ist, Menschenknochen fehlen und ebenfalls die Fundzusammensetzung nicht mit den Inhalten zeitgleicher Bestattungen zu vergleichen ist. Der Stand heute lässt dennoch eine differenzierte Interpretation zu. Im Fokus stehen seither die Nutzungsmöglichkeiten als temporärer militärischer Lagerplatz und ständiger Siedlungsplatz. Orte wie der Geißkopf bei Berghaupten können als temporär betrachtet werden, da dort bislang eindeutige Hausbefunde fehlen, die Anwesenheit von Frauen durch das Fundmaterial nicht nachgewiesen werden kann, es verhältnismäßig viele Waffenfunde gibt und nicht zuletzt da Schriftquellen diesen Ansatz stützen. Andere Plätze ergeben hingegen durch reichlich Befunde und üppiges Fundmaterial direkte Hinweise auf eine längere Besiedlung, z.T. durch sozial höher gestellte Bevölkerungsgruppen.

Bekanntestes Beipsiel für eine Höhensiedlung, die über einen längeren Zeitraum genutzt wurde, bildet die Höhensiedlung auf dem "Runden Berg bei Urach". Hier wurden in den Jahren zwischen 1967 und 1987 umfangreiche Ausgrabungen duchgeführt. Durch die Ausgrabungen traten immer wieder reichhaltige Fundensembles auf, doch ebenso wichtig, auch reichliche Baubefunde, die zum Teil sogar in den gewachsenen Stein eingearbeitet worden waren. In den letzten Jahren gelang es viele weitere Höhenstationen zu erforschen und auszuwerten. Allen voran sind die publizierten Höhenstationen auf den Geißkopf bei Beghaupten und dem Kügeleskopf bei Ortenberg am Oberrhein zu nennen, der Zähringer Burgberg, oder die Wettenburg in der Mainschleife bei Urphar.

Rekonstruktionsversuch der frühalamannischen Wallanlage des Zähringer Burgbergs (nach H. Steuer)

Erstaunlich ist, dass die Baubefunde auf den Höhenplateaus in einem krassen Gegensatz zu ihrem Fundmaterial stehen, denn wie schon von den Siedlungen im flachen Land bekannt, sind auch hier die Gebäude in einfachster Pfosten-Flechtwand-Bauweise errichtet worden. Oftmals sind Speichergebäude zu erkennen, wie auch kleinere Wirtschaftsgebäude. Große repräsentative Gebäude, die den Fundreichtum ebenbürdig wären, sind nicht bekannt. Es scheint vielmehr, als sei die Binnenstruktur der Siedlungen beinahe mit jenen im flachen Land deckungsgleich. Die wirtschaftliche Komponente tritt innerhalb der Siedlung durch die Befunde klar vor eine repräsentative Komponente. Größter Unterschied zu den ländlichen Siedlungen bilden - z.B. bei der Wettenburg bei Urphar, dem Runden Berg bei Urach und dem Zähringer Burgberg - aufwendige, defensive Einrichtungen wie Gräben, Palisaden oder Mauern, die die Siedlungen umzogen. Diese unterstreichen den militärischen Charakter der Höhensiedlungen und machen durch ihre Fernwirkung auf den Bergkuppen den adminsitrativ-repräsentativen Aspekt deutlich.

Mehr noch als die einst imposanten Verteidigungssysteme machen die hochwertigen Funde von den Höhensieldungen die Bedeutung sichtbar. Gerade der Runde Berg kommt aufgrund des guten Forschungsstandes eine herausragende und zentrale Stellung zu. Fibeln aus Edelmetall, zeigen beeindruckend die Anwesenheit sozial höher gestellter Personen. Bronzene Gürtelbestandteile, welche in der Tradition römischer Militärgürtel stehen, und einige Waffenfunde deuten auf die Anwesenheit von Kriegern in den Siedlungen hin. Anders als in den ländlichen Siedlungen zeugen üppige Werkzeugfunde, das gehäufte Vorkommen von Rohmaterialien und Werksstücken von intensiven handwerklichen Tätigkeiten. Dabei tritt im Kontext der Höhensiedlungen besonders das Metallhandwerk zum Vorschein und es scheint, dass es auf den Höhensiedlungen eine Art Spezialisierung auf bestimmte Handwerke gegeben hat. Auch konnten immer wieder wertvolle Importwaren aus dem Römischen Imperium, wie Glasgefäße aus dem Rheinland, römische Gebrauchskermaik aus der Eiffel oder Terra Sigillata Keramik aus den Argonnen dokumentiert werden. Dies unterstreicht eindrucksvoll die herausragende, herrschaftliche und wirtschaftliche Stellung dieser Siedlungen.

Durch die vermehrten Aktivitäten in der Archäologie und den Fokus auf diesen Siedlungstypus, der sicher durch die mit ihm verbundenen Fragestellungen und das hochwertige Befund- und Fundmaterial hervorgerufen wurde, ist es heute möglich eine ganze Reihe von Höhensiedlungen zu nennen und potenzielle Standorte auszumachen. Kartiert man sie, so fällt ihre Lokalisierung an verkehrsgeografisch relevanten Punkten und ihre Lage im direkten Vorfeld des spätantiken Rhein-Donau-Iller-Limes auf. Wenig verwunderlich ist deshalb, dass in der Forschung allgemein eine Verbindung zwischen der Entstehung der Höhensiedlungen und den Ausbau des römischen Rhein-Donau-Iller-Limes unter Kaiser Valentinian in den Jahren nach 364 n.Chr. gesehen wird. Hinzu kommt, dass während der turbulenten Magnentiuszeit Mitte des 4. Jahrhunderts n. Chr. die Grenzen Roms stark aufweichten, was einige alamannische Gruppen für Plünderungen ausnutzten. Da hierdurch bestehende Verträge verletzt wurden führte dies auch nach der Magnentiuszeit zu starken Spannungen im römisch-alamannischen Verhältnis und in dessen Folge sicherlich auch zum Ausbau der Höhensiedlungen. So lagen viele Siedlungen nicht nur an Knotenpunkten vieler Verkehrswege, sondern versperrten, wie auf der Schwäbischen Alb, wichtige Pässe und Einfallswege ins Innere der Alamannia. Oder sie wurden wie im Breisgau in Sichtweite zu römischen Kastellen positioniert.

Die administrativ-repräsentative Funktion der Höhensiedlung wird unterstrichen, wenn man die Lage der Höhensiedlungen in ihrem topographischen Umfeld betrachtet. Alle wurden einerseits so errichtet, dass man von ihnen einen vorzüglichen Blick in das Umland hatte, andererseits waren die Siedlungen auch vom Tal aus sichtbar. Schöne Beispiele sind hier der Runde Berg bei Urach, der hoch über der Schwäbischen Alb liegt, oder der Heiligenberg bei Heidelberg, der sich am Durchbruch des Neckars durch den Odenwald aus dem Rheintal erhebt.

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